Stand- und Durchgangsplätze für Jenische, Sinti und Roma
Die Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz GMS leistet einen Beitrag zur Stärkung der Position der Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz. Sie setzt ein Augenmerk auf die Durchsetzung der Grundrechte der nationalen Minderheiten, zu denen die Fahrenden gehören, und ist gerne bereit, ihre Dienste als Gesprächspartner oder Vermittler den Gemeinden anzubieten.
Die Stossrichtung geht in zwei Richtungen:
Der Druck auf Bund und VBS soll weitergeführt und verstärkt werden, Bundesland für Jenische, Sinti und Roma zur Verfügung zu stellen.
Die Gemeinden sollen durch positive Beispiele ermutigt werden, auf solchem Land Plätze zu realisieren.
Ansprechpartner:
Gemeindepolitiker und -politikerinnen, vornehmlich aus dem Deutschschweizer Mittelland und aus Orten, wo die Realisierung von Plätzen eine Option ist.
Interview mit Mo Diener, der neuen Vertreterin der Roma im GMS-Vorstand, durchgeführt von Cécile Bühlmann, Vizepräsidentin der GMS
C.B: Liebe Mo Diener, Sie sind neu in den Vorstand der GMS gewählt worden. Können Sie sich den Leserinnen und Lesern des Newsletters kurz vorstellen?
M.D: Ich bin Künstlerin für Performance und Medienkunst. Seit 5 Jahren arbeite ich in einem Kollektiv, dem Roma Jam Session Art Kollektiv. Zur Zeit arbeite ich fix mit 2 Künstlern, die aus dem Balkan kommen und seit mehr als 20 Jahren hier in der Schweiz als eingebürgerte Roma leben. Durch meine Familiengeschichte habe ich den Fokus meiner bisherigen künstlerischen Arbeit geöffnet und betätige mich jetzt auch als politische Aktivistin für die Romafrage. Die Roma sind nämlich nicht ein Problem, sondern ein Potential für die Gesellschaft. Das möchte ich in meinen Projekten zeigen und darstellen.
C.B: Sie sind als Romavertreterin in den GMS-Vorstand gewählt worden. Wie ist ihr Verhältnis zu andern Roma oder Roma-Organisationen in der Schweiz?
M.D: Es gibt Organisationen, mit denen ich enge Kontakte und einen regen Austausch habe und einige Roma, mit denen ich gerne arbeite und politische Diskurse führe. Eine davon ist die Roma Fondation, die ich sehr schätze, weil sie sehr seriöse Arbeit macht. Es gibt Romano Dialog, mit denen ich Kontakt habe über das Radio. Dann gibt es verschiedene Vertreter von Romanovision, mit denen ich immer wieder den Austausch pflege.
C.B: Als GMS interessiert es uns, wie der Entscheid des Bundesrates vom 1.6.18, die Roma nicht als Nationale Minderheit zu anerkennen, bei Ihnen angekommen ist.
M.D: Das ist wie ein schlechter Witz! Sinti und Roma sind ja zusammen mit den Jenischen im Rahmenabkommen von 1996 erwähnt worden und da waren sie alle unter dem Namen „Fahrende“ aufgeführt worden und sollten geschützt werden. Die Argumente, mit welchen die Roma dieses Jahr abgelehnt worden sind, sind nicht zeitgemäss. Offenbar fürchtet der Bundesrat weitere Forderungen anderer Minderheiten auf Anerkennung, wenn diese den Roma gegeben worden wäre. Diese Unterstützung würde etwas kosten, das fürchtete man offensichtlich. Sachlich gibt es kaum Gründe für diese Ablehnung, das hat viele meiner Freunde sehr enttäuscht, Hoffnungen sind zerbrochen. Wir geben aber nicht auf. Bundesrat Cassis hat nach der Ablehnung des Bundesrates in einem Brief an uns vorgeschlagen, mit dem EDI und Bundesrat Berset zu sprechen. Dieses Meeting versuchen wir jetzt zu organisieren.
C.B: Wie erklären Sie sich diese Aufspaltung von Sinti und Roma? Die Sinti haben die Anerkennung als Nationale Minderheit erhalten, die Roma nicht.
M.D: Das ist eine lange Geschichte! Ich bin keine Spezialistin, aber soviel ich weiss, gibt es ein paar Familien von Sinti und Jenischen, die seit Generationen miteinander leben, verheiratet sind und ihre zum Teil fahrende, zum Teil nicht fahrende Lebensweise hat miteinander funktioniert. Solche Verbindungen gibt es selbstverständlich genauso zwischen Roma und Sinti. Es scheint, dass die Verständigung zwischen Jenischen und Roma in letzter Zeit nicht so gut funktioniert, auf den Durchgangsplätzen und überhaupt. Das ist sehr seltsam, denn früher war das anders. Die Sinti sind Roma, d.h. Roma ist ja der Überbegriff für viele Gruppen mit verschiedenen Bezeichnungen. Die Sinti gehören also zu den Roma, die Manouche als französische Sinti übrigens auch. Sie sprechen die gleiche Sprache. Diese Spaltung findet man tendenziell auch in Deutschland, was bestimmte Traditionen betrifft. Darüber gibt es Diskussionen. Es gibt aber in den Hauptlinien viele Gemeinsamkeiten, besonders was die Vertretung der Interessen dieser Gruppierungen gegenüber dem Staat betrifft. Da arbeitet man zusammen. Ganz unglücklich ist es in der Schweiz gelaufen, weil dieses ratifizierte Rahmenabkommen ohne Rücksprache mit den Roma neu formuliert wurde und zu einer Nichtakzeptanz der Roma geführt hat. Man darf nicht vergessen, es geht ja nicht um die rechtliche Anerkennung, sondern um die kulturelle und da wäre es doch keine Gefahr gewesen, dem Zuspruch zu geben. Ich bin der Ansicht, dass sich Minderheiten auf jeden Fall unterstützen sollten in der Position dem Staat gegenüber. Das wurde leider nicht sichtbar an diesem 1. Juni 2018.
C.B: Was sind Ihre Erwartungen an die Zusammenarbeit im Vorstand der GMS?
M.D: Ich bin sehr gespannt, neugierig, offen. Ich habe natürlich viele Ideen und bringe Ideen von meinen Freunden mit. Bei uns taucht immer wieder die Frage auf, warum es keine Räume für Roma gibt, keine Orte, wo sie sich treffen, kulturell betätigen können. Die Anerkennung hätte bedeutet, von staatlicher Seite Initiativen zu fördern. Jetzt von nicht staatlicher Seite anzufangen, diese Initiativen Schritt für Schritt umzusetzen, wäre wichtig. Die Anerkennung der Sprache könnte ein grösseres Thema werden. Ein ganz grosser Wunsch ist, ein Kulturzentrum für Roma zu gründen, einen Ort zu haben, um sich zu treffen, für Kulturereignisse oder um die Sprache zu leben.
C.B: Liebe Mo Diener, ich danke Ihnen für dieses Gespräch und freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen im GMS-Vorstand.
«Fahrende auf Privatland» – Eine neue Informationsbroschüre mit Mustermietvertrag für Landwirte und Gemeinden
Mit der neuen Informationsbroschüre und dem dazugehörigen Mustermietvertrag leistet die Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) einen aktiven Beitrag zur Stärkung der rechtlich geschützten Tradition der Fahrenden – dem «Spontanhalt».
Der Spontanhalt ist der befristete Aufenthalt einer Gruppe von Jenischen, Sinti oder Roma auf Privatgrund, in Wohnwagen und zu gewerblichen Zwecken. Jenische und Sinti, als anerkannte nationale Minderheiten, sollen dabei ein Anrecht auf den Schutz ihrer Lebensweise auch in der Schweiz haben.
Die neue Informationsbroschüre «Fahrende auf Privatland» liefert grundlegende Informationen für die betroffenen Landwirte und Gemeinden und erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter welchen diese Tradition in der Schweiz erlaubt ist.
Mit der Broschüre will die GMS auf eine wichtige Tradition der Fahrenden aufmerksam machen und damit einen Beitrag zur Stärkung des Grundrechtsschutzes der Minderheiten in der Schweiz leisten.
Broschüre und Mustermietvertrag sind auch auf Französisch erhältlich und können kostenlos beim Sekretariat der GMS bestellt werden.
Broschüre „Fahrende auf Privatland“
Mustermietvertrag zur Broschüre „Fahrende auf Privatland“
